Seit Jahrzehnten ist Militzer & Münch in zahlreichen Ländern entlang der neuen Seidenstraße aktiv. Dabei ist vor allem der Logistikmarkt in China eine große Herausforderung. Kulturbedingt laufen Entscheidungsprozesse hier anders ab als in Europa. Militzer & Münch wollte mehr über diese Abläufe erfahren und gab bei der Fachhochschule St. Gallen eine Logistikmarktanalyse zum Thema Belt and Road Initiative (BRI) in Auftrag.

Herr Dr. Thoma, was sind die größten Herausforderungen für Logistiker in China?

Ausländische Logistiker müssen viel Zeit und Energie investieren, um sich im chinesischen Logistikmarkt durchzusetzen. Wir selbst sind seit 1981 in China aktiv – gestartet sind wir mit einer Repräsentanz. Im Jahr 1994 gründeten wir in China dann M&M Militzer & Münch Tianbao Int’l Forwarding Co. Ltd. und erhielten als eine der ersten europäischen Firmen die Forwarding (A) License. Unsere langjährige Erfahrung zeigt uns, dass Entscheidungsabläufe in den chinesischen Unternehmensspitzen sehr komplex sind. Deswegen ist es für uns wichtig, so viel wie möglich über den chinesischen Logistikmarkt und die Prozesse bei Entscheidungen zu wissen. Die Ergebnisse sollen uns nicht nur in China weiterbringen, sondern uns auch helfen, entlang der neuen Seidenstraße weiterhin erfolgreich zu agieren.

Warum ist die Studie nicht nur für Militzer & Münch interessant?

Es ist hilfreich, außerhalb der eigenen Strukturen und Netze zu denken. Darum sind die Ergebnisse dieser Analyse sowohl für uns sehr interessant als auch für alle anderen Logistikunternehmen, die auf der Relation Europa – China aktiv sind. Wir können Entscheidungsabläufe leichter verstehen und den Logistikmarkt entlang der neuen Seidenstraße besser einschätzen.


Gerade die neue Seidenstraße wird für internationale Logistikprojekte immer wichtiger. Wer sind die Entscheidungsträger bei diesen globalen Prozessen?

Wir haben bereits in den vergangenen Jahren eine Verschiebung der Entscheidungsträger im globalen Logistikmarkt beobachtet. Heute wird hauptsächlich in Europa und den USA über die Logistik entschieden. In Zukunft wird dies vermehrt von China aus passieren, da große chinesische Unternehmen verstärkt den Weltmarkt erobern und ihre eigenen Supply Chains aufbauen. 

Was haben Sie über Entscheidungsabläufe in China erfahren?

Unsere eigene Erfahrung wurde bestätigt. 80 Prozent der Logistikaufträge in China im Rahmen der Belt and Road Initiative werden an chinesische Unternehmen vergeben. Chancen für europäische Logistikdienstleister in China selbst sind gering – sie bestehen vor allem in Ländern, in denen China noch nicht oder kaum aktiv ist. Trotzdem gibt es für Logistiker Chancen, in China erfolgreich zu sein, wenn sie sich mit den Eigenschaften des Markts auskennen.

Was sollten Logistiker bei Logistikabläufen in China beachten?

Da gibt es einiges zu berücksichtigen. Zum Beispiel ist bei der Auftragsvergabe in China eine Erfüllungsgarantie in Höhe von zehn Prozent der Vertragssumme üblich. Außerdem überprüfen Auftraggeber in China das Stammkapital des Logistikers und die Geschäftsberichte.

Aber der wohl wichtigste Aspekt bei der Auftragsvergabe in China ist das Vertrauen in den Logistikdienstleister durch langjährige Beziehungen und Partnerschaften. Dafür sollten Logistiker vor allem Partnerschaften mit staatlichen Unternehmen in China aufbauen oder mit chinesischen Unternehmen, die eng mit staatlichen Unternehmen vernetzt sind.

Welche Konsequenzen können Logistiker aus diesem Ergebnis ziehen?

Als Logistiker ist es hilfreich, mit einer eigenen Niederlassung vor Ort zu sein. Das ist elementar, um erfolgreich Beziehungen aufzubauen. Vor allem ein lokales Management oder lokale Partner helfen dabei. So lernt ein Unternehmen am besten die kulturellen Unterschiede kennen und kann sie verstehen.

Gibt es weitere zentrale Ergebnisse aus der Marktstudie?

Neben unserem Ziel, mehr über die Entscheidungsprozesse bei Logistikprojekten in China herauszufinden, wollten wir auch erfahren, welchen Anteil Logistikservices an der Belt and Road Initiative haben. Dazu haben wir wirklich detaillierte Informationen bekommen.

Ein zentrales Ergebnis der Analyse zeigt zum Beispiel, dass der Mittlere Osten die Region mit den höchsten Investitionen ist. Das heißt, 43 Prozent der BRI Investitionen werden unter anderem in die Entwicklung der Infrastruktur gesteckt. Aber nicht nur im Mittleren Osten wird viel investiert, sondern auch in Südostasien und in Russland. Das sind gleichzeitig auch die Regionen, in denen die meisten Projekte durchgeführt werden – zum Beispiel für den Ausbau der Verkehrs- und der Energieinfrastruktur.

All diese Ergebnisse bestätigen uns in unserer Strategie, in diesen Regionen vermehrt über eigene Landesgesellschaften aktiv zu sein. Dass wir die Logistikmarktanalyse in Auftrag gegeben haben, zahlt sich für uns also in vielerlei Hinsicht aus.


Zusammenarbeit mit Studierendenteam
Für die Marktanalyse machte sich ein Projektteam der Fachhochschule St. Gallen und der Universität Shanghai im Auftrag von Militzer & Münch an die Arbeit. Verantwortlicher für die Analyse bei Militzer & Münch ist Christoph Hollenstein, Head of Group Controlling der M&M Militzer & Münch International Holding AG. Die Studierenden führten unter anderem zahlreiche persönliche Interviews in Shanghai sowie weitere Telefoninterviews mit Entscheidern aus der Logistikbranche. Zudem sammelte das Projektteam signifikante Daten über vielversprechende Investitionsregionen entlang von sechs BRI-Korridoren und die Aufteilung der BRI Projekte. Als Grundlage ging das Team von Investitionen von 1,067 Billionen US-Dollar und 420 BRI-Projekten aus.

Recommended Posts